Messe.TV Moderator Jürgen Groh auf der InnoTrans 2016 in Berlin im Gespräch mit Achim Kühn von Herrenknecht. Resultierend aus dem Trend, dass Rail und Metro in Städten ein immer größeres Thema wird ist, profitiert der Hersteller von Tunnelbohrmaschinen von einem seit Jahren anhaltenden Boom beim Tunnelbau. Immer mehr und auch immer größere Projekte werden geplant und realisiert. Die Firma Herrenknecht verfügt als Tunnel-Spezialist verfügt über hohe Kompetenz und forscht stetig nach Verbesserungen.
Achim Kühn: Die Trends sind ganz klar. Metro und Railway entwickelt sich in den Städten der Welt hervorragend. Man kann von einem „goldenen Zeitalter“ im Tunnelbau sprechen – noch nie sind so viele Tunnel und so ehrgeizige Tunnelprojekte auf der Welt durchgeführt worden. Herrenknecht stellt spezifische Tunnelbohrmaschinen – das sind alles Unikate – entsprechend des Projektbedarfes her. Außerdem helfen wir den ambitionierten Bauherren und Bauunternehmen diese Tunnel schnell im vorgesehenen Zeit- und Budgetrahmen zu bauen. Jürgen Groh: Welche Regionen der Welt sind derzeit die attraktivsten für eine Expansion. Asien – Europa? Achim Kühn: Asien ist ein gutes Stichwort. Asien-Pacific ist ein sehr interessanter Markt für uns – insbesondere China, dort haben wir in den letzten 10 Jahren mehr als 600 Projekte ausgeführt. Der mittlere Osten ist sehr stark, dort wurde stark in die Metrosysteme investiert. Südamerika ist für Herrenknecht auch ein sehr interessanter Markt. In den letzten 2 Jahren gab es auch einen deutlichen Antrieb des Geschäftsfeldes durch Europa. Große Strecken wie der Gotthard Tunnel wurden mit Tunnelbohrmaschinen von Herrenknecht gebaut. Das Projekt konnte 1 Jahr früher als geplant eröffnet werden, weil man mit Maschinentechnik auch so große Projekte gut und sicher umsetzen kann.
Jürgen Groh: Was ich noch im Hinterkopf habe ist das Crossrail Projekt in London. Achim Kühn: Bei Crossrail gab es 2015 die letzten Durchbrüche. Das war das größte Bauprojekt in Europa und steht kurz vor der Fertigstellung. Bei diesem Projekt wurden innerhalb von 3 Jahren zwei Tunnelröhren von West nach Ost mitten durch die Stadt gebaut, um die Infrastruktursituation für London und Umgebung zu verbessern. Jürgen Groh: Wenn sie vom Tunnel bauen sprechen, dann springt mir sofort das Modell ins Auge, das hier auf Ihrem Messestand steht. Achim Kühn: Genau. Das ist der vordere Teil einer Tunnelbohrmaschine, das ist die eigentliche Bohreinheit. In London war das eine Maschine, die die Themse unterquert hat. Jürgen Groh: Warum ist die Anordnung bei der Konstruktion der Bohreinheit genau wie hier dargestellt? Zum Verständnis für mich als Laien. Achim Kühn: Das ist entsprechend angeordnet, um den lehmigen Boden in London sauber abbauen zu können. Ein Thema ist es Verklebungen in der Mitte der Bohreinheit zu vermeiden. Das Schneidrad wird entsprechend der Bodenbeschaffenheit designt. Die Zähne schälen den Erdboden raus, wenn Steine auftauchen werden diese durch die Messeschneiden zertrümmert und zerkleinert und dann kann das mit einem Fluidsystem nach hinten abgetragen werden. Jürgen Groh: Wie groß ist der Durchmesse von diesem Rohr? Achim Kühn: Der Durchmesser für das Crossrail Projekt in London beträgt 7 Meter. Die größten Tunnelbohrmaschinen die Herrenknecht bisher gebaut haben hatten einen Durchmesser von knapp 18 Meter – damit sind wir Weltrekordhalter. Das Prinzip ist wie folgt. Wenn wir in weichen Baugründen sind, dann haben wir eine geschildete Tunnelvortriebsmaschine. Dieses Modell umschließt ein Stahlzylinder, der die Maschine und die vordere Einheit vor dem umgebenden Erdreich schützt. Dahinter entsteht Ring für Ring die Tunnelröhre. Der Ring besteht aus einzelnen Segmenten die mit einem Erektor versetzt, verschraubt und abgedichtet werden. Wenn ein Ring dann stabil verbaut ist, kann der nächste Bohrhub stattfinden. Hinter diesem eigentlichen Bohrschild kommen dann ungefähr zwischen 120 bis 400 Meter Nachläufersystem, das die ganzen logistischen Einheiten bietet, die man braucht um die Maschine stabil zu versorgen. Das Nachläufersystem ist auch erforderlich für den gesamten Bauprozess, um Materialien oder Fahrzeuge rein und raus zu bekommen.
Jürgen Groh: In so einem Prozess – wieviel „human power“ ist da noch erforderlich? Achim Kühn: Um so eine Maschine zu betreiben braucht man etwa 20 gute Leute in der Regel. Unser Angebot umfasst auch immer Elektriker und Hydrauliker, damit das System sehr stabil läuft. In 2010 hat Katar Rail entschieden die erste Ausbauphase für das Metrotunnel Projekt in Doha zu machen und wir sind mit diesem Projekt dann in 2013 konfrontiert worden. Es ging darum 21 Tunnelvortriebsmaschinen für diese Stadt zur liefern, weil der Plan war in nur 26 Monaten 112 Kilometer neue Tunnel in der Stadt zu bauen. In Spitzenzeiten waren tatsächlich 20 Maschinen in Doha im Einsatz, was zu einem Eintrag im Guinnessbuch der Rekorde geführt hat.
Jürgen Groh: Kann man sagen „Made in Germany“ ist in diesem Bereich noch gefragt? Denn Sie realisieren ja wirklich weltweit Projekte. Achim Kühn: Im diesem Fall hat das Königshaus, der Staat wirklich ganz großen Wert auf deutsches Engineering und Maschinenbau gelegt. Das hat uns sehr geholfen in das Projekt rein zu kommen. Unsere Auftraggeber waren internationale Joint Ventures mit führenden Bauunternehmen besetzt und die haben mit uns die Aufträge gemacht. Jürgen Groh: Aus welchen Ländern kommt denn die größte Konkurrenz im Bereich Tunnelbau? Achim Kühn: Ganz viele Jahre gab es da einige westliche Marken. Stark aufsteigend sieht man jetzt jedoch chinesische Wettbewerber. Jürgen Groh: Haben Sie auch das Problem, dass Innovationen und technische Entwicklungen „abgekuckt“ werden? Achim Kühn: Es macht ja keinen Sinn das jetzt schön zu verschlüsseln mit „Technologietransfer“. Es ist eben ein Wettbewerb und der schnellste und innovativste hat die Nase vorne. Wir sind zuversichtlich, dass wir uns da gut halten können. Jürgen Groh: Herr Kühn vielen Dank und noch eine erfolgreiche Messe. Achim Kühn: Vielen Dank Herr Groh, auf Wiedersehen.